Verbot von Blitzer-Apps gilt nach dem OLG Karlsruhe auch für Beifahrerunterstützung
Seit dem Jahr 2002 sind Radarwarngeräte in Deutschland verboten. Im Jahr 2019 wurde die Vorschrift des § 23 Absatz 1c der Straßenverkehrsordnung (StVO) ergänzt, sodass nun unmissverständlich auch die Verwendung von Blitzer-Apps eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Das Amtsgericht Heidelberg hat jedoch im Oktober 2022 entschieden, dass der Fahrer auch dann eine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn die App auf dem Handy des Beifahrers geöffnet ist. Diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe im Februar 2023 bestätigt. Diese Entscheidungen sind schon deshalb fragwürdig, weil die Überschrift des § 23 StVO die Überschrift „sonstige Pflichten des Fahrzeugführenden“ und nicht „sonstige Pflichten von Fahrzeuginsassen bzw. Beifahrern“ lautet.
In dem Fall den das AG bzw. das OLG zu entscheiden hatte, lag das Handy der Beifahrerin mit der geöffneten Blitzer-App in der Mittelkonsole des Pkw, sodass auch der Fahrer während der Fahrt freie Sicht auf das Display hatte. Doch wie sieht es aus, wenn der Beifahrer die App auf seinem Handy geöffnet hat und den Fahrer dann gegebenenfalls mündlich warnt? Hat der Fahrer die Pflicht darauf zu achten, welche App gerade auf dem Handy seines Beifahrers geöffnet ist? Eine solche Pflicht ergibt sich jedenfalls nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes. § 23 Absatz 1c spricht davon, dass der Fahrzeugführer ein solches Gerät nicht „verwenden“ darf. Was unter den Begriff „Verwendung“ fällt, unterliegt der Auslegung durch die Gerichte. Das Oberlandesgericht führt in seiner Entscheidung aus, dass „verwenden“ kein eigenes aktives Tätigwerden des Fahrzeugführers im Umgang mit dem technischen Gerät bzw. der darin enthaltenen verbotenen Funktion voraussetze, sondern vielmehr jedes Handeln genüge, mit dem dieser sich die verbotene Funktion zunutze mache. Erfasst werde deshalb auch die Nutzung der auf dem Mobiltelefon eines anderen Fahrzeuginsassen installierten und aktivierten Funktion. Das führt unter anderem zu erheblichen Schwierigkeiten, wenn der Fahrzeugführer nichts von der Benutzung der App durch seinen Beifahrer weiß.
Einfach ungerecht: Aktuelle Gebühren beim Anwohnerparken in Konstanz
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 13.06.2023 die Gebührensatzung für das Anwohnerparken in Freiburg gekippt. Die Konstanzer Satzung wurde daraufhin außer Kraft gesetzt, da sie der Freiburger Satzung zum Teil ähnelte. Anders als Freiburg zahlt Konstanz die zu viel bezahlten Beträge bisher allerdings nicht einfach unbürokratisch zurück, sondern macht eine Rückzahlung von einem rechtzeitig eingelegten Widerspruch gegen einen noch nicht rechtskräftigen Gebührenbescheid abhängig. Das bedeutet: Wer die Gebühr in Höhe von 150 Euro im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns bezahlt hat, geht aktuell leer aus. Die Kurzschlussreaktion der Verwaltung, seit Mitte Juni kostenlose, bis Ende September befristete, Anwohnerparkausweise zu verteilen führt zu einem noch abstruseren Ergebnis: Für einen aktuell gültigen Konstanzer Anwohnerparkausweis bezahlt man entweder 150 Euro, 30 Euro oder eben gar nichts. Wer vor dem 01.01.2023 einen Anwohnerparkausweis gekauft hat, konnte dies noch für den früher bundesweit geltenden Höchstpreis von 30, 70 Euro tun. Wer seinen Anwohnerparkausweis nach dem 01.01.2023 verlängert oder neu beantragt hat, musste den neuen Gebührensatz von 150 Euro berappen. Wer rechtzeitig Widerspruch eingelegt oder sich einen seit Mitte Juni kostenfrei verteilten Parkausweis abgeholt hat, bezahlt nichts. Gem. Art. 3 GG gilt der Gleichheitsgrundsatz, welcher die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem untersagt.
Würde ein Tempolimit zu einer relevanten CO₂ -Einsparung führen?
Das Umweltbundesamt hat im Januar 2023 eine Studie zur Frage, ob ein Tempolimit zu einer relevanten CO₂-Einsparung führen würde, veröffentlicht. Nach dieser würde ein Tempolimit deutlich mehr, nämlich dreimal so viel, CO₂ einsparen als gedacht. Im Gegensatz dazu seien nach einer vorherigen Studie aus dem Jahr 2020, die ebenfalls vom Umweltbundesamt in Auftrag gegeben worden war, die Einsparungen so gering, dass sie irrelevant seien. Da die Studien innerhalb weniger Jahre zu so unterschiedlichen Ergebnissen kommen, muss sich eine der beiden Studien grob um den Faktor drei verrechnet haben.
Die Berechnungen beruhen im Wesentlichen auf der auf deutschen Straßen tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit, doch nicht jeder hält sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen oder nutzt die Höchstgrenze aus. Um die tatsächliche Geschwindigkeit zu ermitteln, griffen die Forscher der Untersuchung aus 2023 auf Daten des Navigationsdienstleisters TomTom zurück.
Beratungspflicht des Anwalts gegenüber Managern
Kann die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund Drittschutz für den Geschäftsleiter der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten?
Der BGH entscheidet: Ja. Voraussetzung hierfür sei ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung.
In den Schutzbereich des Vertrags bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund kann auch ein faktischer Geschäftsleiter einbezogen werden.
Gegenstand des vom BGH entschiedenen Falles war ein Rechtsanwalt, der mehrmals von einer KG mit der Rechtsberatung beauftragt worden. Über das Vermögen der KG wurde drei Jahre später das Insolvenzverfahren eröffnet. Der ehemalige Geschäftsführer der Gesellschaft sowie dessen Vater (faktischer Mitgeschäftsführer) mussten einen Vergleichsbetrag in Höhe von € 85.000,00 an den Insolvenzverwalter zahlen. Dieser hat beide wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife auf Erstattung in Anspruch genommen.
Es folgte eine Regressklage des Zessionars aus abgetretenem Recht gegen die Berufshaftpflichtversicherung des Anwalts.
Hierzu hat der BGH nun entschieden, dass gerade solch ein Regressanspruch grundsätzlich gegeben sein kann. Herangezogen werden müssen die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter. Der tatsächliche oder faktische Geschäftsführer hätte in den Vertrag mit der KG mit einbezogen werden müssen.
OLG Karlsruhe wendet erstmals neue Rechtsprechung zum Thermofenster an
Oberlandesgericht Karlsruhe wendet erstmals die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an und verurteilt die Herstellerin von Diesel-Pkw zu Schadensersatz wegen der Verwendung eines sog. Thermofensters
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat am Dienstag eine Pkw-Herstellerin in zwei Fällen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat mit diesen Urteilen für die Haftung von Pkw-Herstellern erstmals die bloß fahrlässige Verwendung einer Abschalteinrichtung, hier eines sog. Thermofensters, ausreichen lassen (8 U 86/21 und 8 U 271/21). Der Senat ist damit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 (C-100/21) und des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2023 (insbes. VIa ZR 335/21) gefolgt.
In einer dritten Entscheidung (8 U 236/21) hat der Senat die Klage wegen fehlenden Schadens des Klägers abgewiesen sowie in einem vierten Verfahren (8 U 325/21) die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet.
Bei sämtlichen Fahrzeugen handelt es sich um solche mit 3.0-Liter-Dieselmotoren der Schadstoffklasse EU 5, die mit einem sog. Thermofenster ausgestattet sind. Bei diesem „Fenster“ handelt es sich um einen festgelegten Temperaturbereich, innerhalb dessen die Rückführung von Abgasen in den Motor uneingeschränkt funktioniert. Mithilfe dieser Abgasrückführung werden die Stickoxide reduziert, um den Grenzwert der EU 5-Norm einzuhalten.