Das unscharfe Beweisfoto
Oftmals sind Mess- und Überwachungsfotos nicht so scharf und eindeutig, dass man den Fahrer/Täter auf den ersten Blick eindeutig identifizieren kann.
In solchen Fällen geben die Gerichte zur Klarheit ein Gutachten für einen Lichtbildvergleich in Auftrag. Dort geschieht Folgendes:
Der Gutachter muss als erstes das Beweismaterial sichten. Dazu fordert er Akteneinsicht an und erhält Bilder in digitaler Form oder als Hochglanzabzug. Bei Videoaufnahmen erstellt der Gutachter selbst Standbilder und analysiert diese. Er unternimmt eine Qualitätsverbesserung in Bezug auf Helligkeit, Tonwert und Kontrast, wobei dies zu keinen Merkmalsveränderungen führen darf. Hier kann der Gutachter schon feststellen, ob das Bildmaterial für eine Begutachtung geeignet ist bzw. welcher Grad einer Identitätswahrscheinlichkeit erreicht werden kann. Danach folgt die Merkmalsanalyse in den Bereichen des Kopfes. Es werden Kopfform, Gesichtsform, Gesichtsproportionen, Haaransatz, Stirn, Augen, Nase, Mund, Kinn, Unterkiefer, Wangen, Ohren und Hals ausgewertet und beschrieben. Innerhalb diesen Regionen wird nochmals in Einzelmerkmale unterteilt, z.B. in der Augenregion wird unterteilt in Augenbrauen, -abstand, -größe, Oberlidraum, Lidachsenstellung und Unterlid.
Die Sachverständigen arbeiten hierbei unterschiedlich. Während einer z.B. das Merkmal der Augenbraue als einen Merkmalskomplex anführt, gliedert der andere Sachverständige diesen in mehrere Einzelmerkmale (z.B. Brauenstärke, -höhe, -form, -kopfabstand oder Vorhandensein/Fehlen einer Zwischenbraue) und kommt so zu einer höheren Merkmalsanzahl.
Achtung Autofahrer: LEIVTEC XV3 liefert falsche Messergebnisse
Bei einer nachträglichen Überprüfung hat die amtliche Zulassungsbehörde (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, abgekürzt PTB) festgestellt, dass es auch mit der neuen Gebrauchsanweisung zu unzulässigen Messabweichungen kommen kann. Das Gerät steht schon länger in der Kritik. Kommunen haben hierauf nie reagiert, der Hersteller schon gar nicht. Wenigstens auf die Veröffentlichung der PTB von 12.03.2021 hat der Hersteller jetzt offiziell erklärt, die Geräte, bis zu einer entsprechenden Nachrüstung, nicht weiter zu verwenden.
Für Betroffene gilt daher:
(1) Wer wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung belangt wird, bei dem das Gerät jetzt wieder der Blitzer Leivtec XV3 eingesetzt wurde, sollte unverzüglich Einspruch einlegen und den Vorgang in rechtlicher Hinsicht überprüfen lassen.
(2) Wer in der Vergangenheit ein Bußgeld kassiert (und womöglich schon bezahlt) hat, sollte den Vorgang ebenfalls überprüfen, ggf. besteht ein Regressanspruch gegen die Kommune – was wir in diesen Fällen ebenfalls prüfen: Ansprüche gegen den Hersteller.
Führerscheine müssen von den Behörden unverzüglich zurückgegeben werden
Die Formfehler bei der neuen StVO und dem damit verbundenen Bußgeldkatalog führen dazu, dass viele Fahrverbote ohne Rechtsgrundlage ergangen sind. Der Staat darf die Strafen nicht deshalb „durchziehen“, weil der Betroffene auf die Rechtmäßigkeit der Vorschrift vertraut hat und kein Rechtsmittel eingelegt hat. Da gibt es doch tatsächlich eine Reihe von Bundesländern die für sich prüft, ob sie die Gelder behalten dürfen und ob sie auch die zu Unrecht verhängten Fahrverbote durchsetzen wollen. Wer nach der neuen Bußgeldverordnung ein Fahrverbot hinnehmen muss, sollte unverzüglich seinen Führerschein zurückverlangen, wenn er ihn schon abgegeben hat und Schadensersatz androhen, wenn der Staat die Sache einfach aussitzt.
Vorerst bleibt es in fast allen Bundesländern beim alten Bußgeldkatalog - außer in Thüringen
Vorerst soll in den meisten Bundesländern alles beim Alten bleiben – wegen Formfehler, aber auch weil der neue Bußgeldkatalog überzogen scheint. Fahrverbot von einem Monat, wenn man innerorts 21 km/h zu schnell ist, ist schon happig. Vor allem wird dies zur doppelten Strafe. Denn die meisten Fahrzeugnutzer benötigen ihr Auto und den Führerschein fast ausschließlich dazu, zur Arbeit zu kommen und zurück und den Wochenendeinkauf zu tätigen. Die Privatnutzung ist oftmals nur verschwindend gering. Offiziell geht die Rückkehr zu einem zum alten Bußgeldkatalog auf den Umstand zurück, dass in der neuen Gesetzesvorschrift eine gesetzliche Verweisung fehlt. Was aber auch auffällt: gerade die Linken und die Grünen politischen Kräfte wollen an der Regelung festhalten und wollen "Rasern" keinen Millimeter entgegenkommen. Aber was sind Raser?
Wird Führerscheinfalle zurückgenommen?
Fast unbemerkt ist der neue Bußgeld-Katalog auf den Höhepunkt der Corona-Pandemie in Kraft getreten. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von innerorts 21 km/h droht bereits Fahrverbot bei 26 km/h außerorts ebenfalls. Ist irgendwo eine 30er-Zone ausgewiesen und man meint (durch kurze Unaufmerksamkeit) es seien weiterhin innerorts 50 km/h erlaubt und fährt mit bspw. 55 km/h nichtsahnend durch die Straßen, ist der Führerschein weg. Mittlerweile haben die Städte und Gemeinden massiv aufgerüstet. Autofahrer blitzen und abkassieren ist nun noch attraktiver geworden. Schon dieser Schröpfvorgang ist eine Unverhältnismäßigkeit, das schnelle Fahrverbot ist eine massive Intoleranz.Der Verkehrsminister beäugt zwischenzeitlich die Gesetzesneuerung selbst als überzogen und will es entschärfen. Das ist mal ein guter Ansatz.