In Zwei Fällen bestätigte der BGH die Freisprüche des Landgerichts Hamburg und des Landgerichts Berlin.
Im Hamburger Verfahren ging es um zwei miteinander befreundete Frauen im Alter von 85 und 81 Jahren, welche wohl an mehreren nicht lebensbedrohlichen, aber dennoch ihre Lebensqualität und Handlungsmöglichkeiten einschränkenden Krankheiten litten. Die Unterstützung hierbei machte der von den Frauen konsultierte Sterbehilfeverein von einem neurologisch- psychiatrischen Gutachten zur Beurteilung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit abhängig. Der Angeklagte, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie erstellte dieses Gutachten, wobei er an der Entschlossenheit und den wohlbedachten Suizidwünschen keinen Zweifel hatte. Der Angeklagte war bei der Einnahme der tödlich wirkenden Medikamente auf Verlangen der Frauen anwesend und leitete nach Eintritt der Bewusstlosigkeit, wie von den Frauen gewünscht, keine Rettungsmaßnahmen ein.
Im Verfahren vor dem Landgericht Berlin ging es um eine chronisch kranke 44- Jahre alte Frau. Diese nahm eine mehrfach tödliche Dosis des ihr von ihrem Hausarzt verschriebenen Schlafmittels und beendete hierdurch ihr Leben. Wie von seiner Patientin gewünscht betreute der Angeklagte die nach Einnahme des Medikaments bewusstlose Frau während des zweieinhalb Tage andauernden Sterbeprozesses. Rettungsmaßnahmen unterließ auch dieser Angeklagte.
Beide Ausgangsgerichte sprachen die jeweiligen Angeklagten in ihren Urteilen frei.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen und die freisprechenden Urteile des Landgerichts Hamburg und des Landgerichts Berlin bestätigt.
Der BGH sieht in den im Vorfeld geleisteten Beiträgen der Angeklagten keine strafrechtliche Verantwortlichkeit. Eine solche hätte vorausgesetzt, dass die Frauen zu der Bildung eines freiverantwortlichen Selbsttötungswillens nicht in der Lage waren. Laut BGH hätten die Landgerichte rechtsfehlerfrei keine die Eigenverantwortlichkeit einschränkenden Umstände festgestellt. Die Strebewünsche der Frauen waren, so der BGH, nicht Ergebnis psychischer Störungen, sondern beruhten auf einer im Laufe der Zeit entwickelten „Lebensmüdigkeit“.
Der BGH führt weiter aus, dass die Angeklagten auch nach Eintritt der Bewusstlosigkeit nicht zur Rettung verpflichtet gewesen seien. Der Angeklagte im Hamburger Verfahren habe schon nicht die ärztliche Behandlung der sterbewilligen Frauen übernommen, welche ihn zu einer lebensrettenden Maßnahme hätte verpflichten können. Das Gericht entschied weiter, dass auch die Erstellung des seitens des Sterbehilfevereins für die Unterstützung geforderten Gutachtens, wie auch die Begleitung beim Sterbevorgang keine Schutzpflicht für deren Leben begründete. Der Angeklagte des Berliner Verfahrens sei jedenfalls durch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Frau von der Aufgrund seiner Stellung als behandelnder Hausarzt bestehenden Pflicht zur Rettung des Lebens seiner Patientin entbunden gewesen.
Laut BGH wurde auch die Hilfspflicht des § 323 c StGB nicht in strafbarer Weise verletzt. Rettungsmaßnahmen, gegen den Willen der Frauen seien laut BGH nicht geboten gewesen, da sich die Suizide, wie die Angeklagten wussten, jeweils als Selbstbestimmungsrecht der Frauen darstellten.
[BGH Mitteilung der Pressestelle Nr. 990/2019]
Anmerkung RA Fischer:
Damit macht der Bundesgerichtshof erstmals wirklich den Weg frei für ein selbstbestimmtes und selbst gewolltes 'Lebensende', wenn bestimmte Konstellationen oder Zustände eingetreten sind. Das bedeutet weiter, dass Patientenverfügungen erstmals wirklich Wirkung entfalten und nicht etwa ausgegeben werden, wenn der Patient zu sterben droht. Dann ist es halt so. Wir empfehlen, auch wenn man sich ungern mit den Umständen des eigenen Lebensende beschäftigt, genau diese Situation einmal gedanklich durch zu spielen und eine entsprechende Patientenverfügung (und Vorsorgevollmacht) mithilfe eines Anwalts zu erstellen, der entsprechende Formulierungen nicht einfach von der Stange nimmt, sondern individuell Ihren Vorstellungen anpasst. Ansprechpartner in unserer Kanzlei sind die Rechtsanwälte Fischer und Schmid 07531/5956-10 oder 5956-13.